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Ein gelungener Einblick in das Leben der Chagall's

Die Tochter des Malers: Roman - Kathrin Bielfeldt, Gloria Goldreich

Als Ida, die behütete Tochter des Ausnahmekünstlers Marc Chagall sich im Paris der 1935er Jahre in den Studenten Michel verlierbt, steht ihre innige Beziehung zu ihrem Vater auf dem Spiel. Als Frankreich von den Deutschen besetzt wird, droht ihrer Familie tödliche Gefahr, was Marc Chagall aber durch die blinde Hingabe an seine Kunst verleugnet. Bald muss Ida das Zepter in die Hand nehmen und sich entscheiden – zwischen ihrem eigenen Lebensweg und der Rettung ihres Vaters.

 

Meinung

 

„‚Il y a toujours l’espérance‘ […]: Hoffnung – das war das schönste Geschenk das er Ida mitbringen würde.“ (S. 195)

 

„Die Tochter des Malers“ ist ein bibliografischer Roman über Ida, die Tochter des berühmten Malers Marc Chagall. Gloria Goldreich schafft es, streng chronologisch das aufrüttelnde, bewegende, stürmische Leben von Ida zu erzählen, ohne den Leser zu langweilen. Sie webt geschickt die historischen Geschehnisse, die Zeit rund um den Zweiten Weltkrieg und die Verbindung der Familie Chagall, insbesondere die von Marc, zur Religion und Kunst mit ein.

 

Während die Beziehung zwischen Ida und Marc und vor allem Idas Leben und der Weg von einer behüteten, verhätschelten Tochter zu einer starken Frau im Vordergrund des Buches steht, bringt uns Goldreich die Kunst Chagalls und die Bedeutung dahinter näher ohne das es die Erzählung stört und wie aus dem Lehrbuch wirkt.

 

Wir tauchen in das Leben der Chagalls im Jahr 1935 ein, als Ida in einem Ferienlager den jungen Studenten Michel kennen lernt, der ebenfalls der Sohn russischer Juden ist. Er und seine Familie werden jedoch von den Chagalls aufgrund ihrer Armut verachtet. Ida wird schwanger und von ihren Eltern zur Abtreibung und Hochzeit mit Michel gezwungen, weil sonst das Ansehen ihrer Familie auf dem Spiel steht. Dieser Moment in Ida’s Leben ist der Wendepunkt in der Beziehung von Ida zu ihrem Vater, auch wenn sich die Wandlung sehr langsam vollzieht.

 

Während der Kriegsjahre hinweg erleben wir, wie Ida verzweifelt versucht, ihre Eltern zu retten, sie zum Exil in Amerika zu überreden. Vom behütenden und verwöhnten Kind wird sie zu einer Frau, die kämpfen kann, die genau weiß, wie sie ihre Reize einsetzten kann, um ihr Überleben zu sichern. Sie ist augenscheinlich stark, unabhängig, teilweise sogar arrogant und ist nicht immer ein sympathischer Charakter. Das Wohl ihres Vaters und ihrer Mutter steht über allem, sogar über ihrem eigenen Leben. Nach und nach wird sie diejenige, die das Leben ihres berühmten, aber sehr naiven, realitätsfremden und arroganten Vaters regelt. Dabei merkt er kaum, was Ida alles tut und sie versucht verzweifelt, Wörter der Anerkennung zu bekommen. Diese Abhängigkeit spiegelt sich bis zur letzten Zeile des Buches wieder, dieser Kampf der jungen Ida, ihrem Vater gerecht zu werden und dennoch ihre eigene Liebe, ihr eigenes Leben zu finden.

 

„Sie würde immer die Tochter ihres Vaters bleiben, sie würde ihn immer lieben, doch jetzt, endlich, musste sie nur noch ihre eigenen Kinder bemuttern.“ (S. 576)

 

Goldreich hat die Charaktere Ida und ihre Eltern sehr authentisch und vielschichtig gezeichnet. Es ist, als erlebte man all diese Jahre gemeinsam mit ihnen. Als würde man mit ihnen an einem Tisch sitzen. Sie hat hervorragend Recherchearbeit geleistet und gibt uns einen tiefen Einblick in das Leben dieser einzigartigen Frau, die so unfassbar stark und unabhängig wird und doch zerbrechlich ist. Ida war dabei nicht immer sympathisch aber beeindruckt durch ihre unablässige Loyalität gegenüber ihrer Familie. Zwar wirkt das Buch an mancher Stelle etwas zu aufgebauscht, während die letzten Jahre auf wenige Seiten gequetscht werden, dennoch konnte es mich durchgehend unterhalten. Die szenischen Beschreibungen sind großartig. Goldreich schafft es stets, die momentane Atmosphäre zu transportieren. Dieses stetige Gefühl der Bedrohung und die Todesangst im zweiten Weltkrieg und später das berauschende Gefühl des Umbruchs, der dennoch von der Vergangenheit überschattet ist.

 

Fazit

 

Gloria Goldreich zieht uns mitten in das bewegende, aufregende, stürmische Leben von Ida und Marc Chagall. Dank ihr dürfen wir Ida auf ihrem Weg eines überbehüteten Kindes zu einer starken, kämpferischen, aber dennoch zerbrechlichen Frau begleiten. Ein authentischer, vielschichtiger biografischer Roman, der hervorragend recherchiert ist, uns Geschichte und Kunst näher bringt und mich trotz zwischenzeitlicher Längen gut unterhalten konnte.